Der Maestro bei uns auf der Couch, orange:
Galerie Meisterstück: Sehr geehrter Herr Herbst, wir freuen uns, dass wir sie hier auf der orangen Couch begrüßen dürfen und fangen gleich mit den Wurzeln an – Wann haben Sie begonnen zu malen?
Uwe Herbst: Mit 15.
GM: Im schulischen Bereich?
Herbst: Ja – also, ich hab wie jedes Kind mit Buntstiften herumgekritzelt – hatte aber keine besondere Begabung. Ich hab gemalt wie jedes Kind. Ich hatte auch kein besonderes Interesse daran.
GM: Wissen Sie denn noch was Ihr erstes Bild war?
Herbst: Ja. Das habe ich meiner Tochter geschenkt. Ich bin ja nach Paris gekommen als ich zehn war und sofort auf die französische Schule gegangen. Dort gab es noch Kunstunterricht als obligatorisches Fach – also Malen sozusagen und mit 15 ging das dann los, wir bekamen eine kleine Leinwand und auch Ölfarben. Die Vorlage war ein Venedig-Bild von Monet, das war ein recht kleines Bild. Das Original hängt jetzt nicht mehr im Louvre, sondern im Musée d´Orsay und es zeigte eine Gondel in lila Tönen. Das war das Vorbild und das sollten wir einmal abmalen, so wie wir es empfinden, mit Ölfarbe. Und so haben wir alles entdeckt. Und das war mein erstes Bild. Das war lustig eigentlich und gar nicht so verkehrt.
Uwe Herbst
„Etüde für Sonnenaufgang“
60 x 80 cm, 2014
GM: Da waren Sie ja gleich beim Impressionismus gelandet.
Herbst: Ja. Für die Franzosen ist der Impressionismus auch die „Hohe Zeit“ der französischen Malerei. Obwohl Sie auch vorher grandiose Maler hatten. Und der Impressionismus ist für Kinder und Jugendliche attraktiv, weil man sich einfacher herantasten, – mit Farben arbeiten kann. Und so hat es angefangen. Ich habe mir das damals abgemalte Bild auch im Original im Museum angesehen. Die französischen Museen waren zu der Zeit kostenlos. Damals war ich sehr oft im Louvre oder in den Tuilerien. Dann war ich noch einmal in einer Abendschule, wie es sie in jedem Arrondissement gab und die ebenfalls kostenlos waren. Die wurden von der Stadt Paris finanziert und dort konnte jeder hin und Aktmalerei mit Kohlenstift versuchen.
GM: Die Dame wurde auch gestellt?
Herbst: Ja selbstverständlich. Die wurde von der Stadt bezahlt. Ob Mann oder Frau… das waren so Studenten. Und das war einmal in der Woche und da bin ich in. Da gab es Akte oder auch Stillleben. Für diese hat der Lehrer immer Fisch gekauft der hat so gestunken, denn der wurde immer wieder nass gemacht. Ist auch schwierig zu zeichnen mit den Schuppen. Aber ja – das hab ich auch gemacht.
GM: Unter Autodidakt stellt man sich immer jemanden vor, der überhaupt keine äußere Einwirkung hat.
Herbst: Ja gut – das war die Einzige. Aber der Lehrer, ein sehr interessanter Mensch, gab auch keine Anweisungen. Der hat immer nur bei jedem Schüler versucht herauszufinden, ob man als Ausführender zufrieden war oder nicht. Das hat er einem immer angesehen. Dann hat er versucht rauszufinden was die Schüler stört und hat dann auf die Fehler hingewiesen. Das ist eine sehr geschickte Art die Leute zu belehren.
GM: Sie sind ja eher ein Landschafts- und Szenenmaler. Da entscheidet man sich doch irgendwann dafür, oder?
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Uwe Herbst
„Iris unterm Olivenbaum“
30 x 60 cm
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Uwe Herbst
„Sommer in Aix en Provence“
110 x 120 cm
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Uwe Herbst
„Lavendelfeld, abends“
100 x 120 cm
Herbst: Ja. durchaus. Nach meinen Anfängen hatte ich dann mit 18 eine vom Surrealismus geprägte Zeit. Das entstand erst mal durch Hieronimus Bosch, den mit den Höllenszenen und gleichzeitig Dali oder Magritte. Und dann habe ich surrealistisch, haargenau gemalt. Aus dieser surrealistischen Zeit habe ich noch ein paar Bilder im Keller, aber beim Surrealismus hat man ja immer den Willen, etwas Symbolisches zu malen, etwas mit seinen Bildern sagen zu wollen. Und die ständige Befragung an meiner selbst, – „ ja was will ich denn?“ – das war mir irgendwann zu blöd. Auch den Leuten zu erklären, was ich malen wollte. Ich machte mein Abitur in Latein, Griechisch und Philosophie. Danach wollte ich nicht studieren. Ich wollte zu dem Zeitpunkt nicht mehr lernen. Und ich hatte einen Freund in der Camargue, der dort eine Stierzucht hatte und da bin ich dann ein paar Jahre runter. Dort war ich eigentlich nur auf dem Pferd und in der Landschaft. Und dort habe ich auch endgültig angefangen, mich mit der Landschaftmalerei zu beschäftigen. Nach dem Surrealismus habe ich beschlossen zu malen, was ich sehe. Und wie ich es sehe, das wird dann das Interessante. Was ich male spielt eigentlich keine Rolle, sondern wie ich es umsetze. Und so kam ich zur Landschaftsmalerei.
GM: Wie finden Sie Ihre Motive? Sehen Sie etwas und fahren dann hin und kucken sich das an?
Herbst: Ja- oder ich mache Fotos oder Skizzen. Das ist auch immer emotional gebunden. Das heißt, ich muss zu einer Landschaft oder Situation eine emotionale Verbindung aufbauen. Ich male Sachen, die mich emotional ansprechen. Und das sind komischerweise immer Sachen aus der Vergangenheit. Ich bin ausdrücklich ein Passéist. Das sieht man in allen Bildern. Ich hab auch schon mal in den Hafen von St. Tropez ein paar Yachten reingehauen, weil die halt da waren, aber so richtig glücklich bin ich damit nicht. Und wenn ich auch so Marktszenen male, dann sind nie Autos dabei.
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Uwe Herbst
„Etüde für Blumenmarkt“
70 x 80 cm
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Uwe Herbst
„Etüde für Sommer in der Toskana
60 x 80 cm
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Uwe Herbst
„Abend in Positano“
100 x 120 cm
GM: Das schätzen die Leute aber auch. Man möchte sich in ihre Bilder hineinträumen und da wären Autos nur störend.
Herbst: Das heißt die Dinge, so wie ich sie male, gibt es eigentlich gar nicht. Weil ich sie male, wie ich sie sehen will. Das ist alles gelogen (lacht).
GM: Was wären Sie denn geworden, wenn Sie nicht Maler geworden wären?
Herbst: Ach – ich habe so viele Berufe gehabt, bevor ich Maler geworden bin, das glauben Sie gar nicht.
GM: Was haben Sie denn gemacht?
Herbst: Na wie gesagt, erst habe ich mit Stieren und Pferden gearbeitet. Dann habe ich geheiratet, – ich war 21, meine Frau war 16 und ich hatte ja nicht studiert und musste irgendwas machen und das einzige was ich konnte war dieser Job des Viehhalters, und das war wirklich beschränkt. Und das einzige, wo man mich dann genommen hat, war Lebensversicherungen zu verkaufen. Als Klingelputzer.
GM: Und wann haben Sie dann endgültig nur noch von Ihrer Malerei gelebt?
Herbst: Da war ich 45. Ich hatte in Deutschland bei der Firma Holm gearbeitet als Verkaufsleiter. Ich war damals für das gesamte Plexiglassortiment verantwortlich. Bis ich dann meinen Agenten kennengelernt habe. Ich hatte damals ja nicht mehr so viel Zeit für die Malerei als leitender Angestellter, aber der sah ein paar Bilder auf der Messe, sagte, er käme vorbei und als er mich zwei Wochen später besuchte hat er direkt 8 Bilder gekauft. Und zwei Wochen später stand er wieder auf der Matte und meinte, er hätte alle verkauft und bräuchte mehr. So fing das an und nur so habe ich die Stellung dann damals auch aufgegeben.
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Uwe Herbst
„Mittag in Palermo“
100 x 140 cm
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Uwe Herbst
„Provence“
30 x 40
GM: Da können Sie dem Agenten ja direkt dankbar sein.
Herbst: Absolut! Ich wollte schon immer nur von der Malerei leben, nur muss man das ja auch mal hinbekommen.
GM: Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Tagesablauf?
Herbst: Ich stehe jeden Tag um fünf auf. Dann frühstücke ich mit meiner Frau, meiner jetzigen Frau, es ist meine Vierte, und dann fahren wir zu den Pferden, die sind etwa 50 km von der Wohnung entfernt. Dort sind wir bis Mittag, dann muss meine Frau zu ihren Patienten, – sie ist Ergotherapeutin und hilft Leuten mit Schlaganfällen und so. Ich fahre mittags gerne eine Runde mit meinem Rennrad, so 30, 40 Kilometer und wenn ich dann zurückkomme fange ich an zu malen. Normalerweise so drei, vier Stunden, mehr geht nicht. Und dann koche ich. Ich brauche nur 4-5 Stunden Schlaf am Tag. Mehr nicht. Ich brauche auch keinen Wecker, ich wache einfach auf.
GM: Sie haben in Frankreich und in Deutschland gelebt, wie empfinden Sie die Unterschiede?
Herbst: Das Leben in Frankreich ist grundsätzlich sehr unterschiedlich zu dem in Deutschland. Obwohl man meinen könnte, dass sich in Europa alles angeglichen hat, stimmt das nicht. Die Traditionen sind anders, die Abläufe sind anders und die Einstellungen sind anders. Der Franzose ist weit von einem Deutschen entfernt und umgekehrt. Der Deutsche hat sich ja auch allgemein entwickelt. Der Deutsche ist sehr weltoffen, der Franzose überhaupt nicht. Der Franzose ist sehr auf sein Land beschränkt und wenn man da gelebt hat, dann teilt man das auch. Weil es da alles gibt und man gar nicht das Bedürfnis hat woanders hinzufahren. In Deutschland, wenn man Sonne haben will, dann fliegt man automatisch weg an die Sonne. Der Franzose fährt dann nur an die Cote d´Azur und es reicht. Da hat er, was er sucht. Es ist ein sehr verwöhntes, reiches Land. Es ist sehr wenig zerstört worden, hat noch sehr viel Authentizität und dann der Stolz, den der Franzose hat. Frankreich über alles. Was mich betrifft, ich kann überall leben, das ist mir völlig egal. Die Dinge entstehen ohnehin in meinem Kopf und wenn ich etwas sehen will dann fahre ich dahin. Aber die Umsetzung… früher habe ich viel draußen gemalt, das würde ich auch heute noch gerne. So in zwei Stunden ein Bild hinzuknallen wie damals die Impressionisten. Am Canal du Midi habe ich beispielsweise viel vor Ort gearbeitet. Aber wenn sich das in der Stadt machen dann haben sie in kürzester Zeit 200 Leute um sich rumstehen und das ist unerträglich. Auch lässt sich in den großen Formaten gar nicht draußen malen, weil der Wind das wegfegt. Aber ich würde am liebsten immer vor dem Motiv malen.
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Uwe Herbst
„Etüde für Park im Licht“
70 x 80 cm
GM: Was unterscheidet Ihre früheren Arbeiten von ihren Jetzigen ?
Herbst: Es ist wenig Unterschied zu den Arbeiten vor 10 Jahren. Außer, dass meine Technik immer feiner geworden ist. Die Bilder sind feiner geworden. Das kann man gut sehen, wenn Sie Bilder bei Kunden wiedersehen, die sie vor 10 Jahren verkauft haben. Wenn man diese mit den neuen Bildern verkauft, dann sieht man das ganz deutlich. Ich habe jetzt noch ein paar Bilder gemalt, es geht immer mehr in die Richtung, dass ich weniger grelle Farbkontraste habe, sondern immer harmonischer werde. Also eigentlich realistischer.
GM: Wobei Sie immer dieses Leuchten haben.
Herbst: Ja, das ist die große Kunst. Durch das Weglassen der Farben in 70-80 % des Bildes. Das heißt, dass man eher in Mischfarben bleibt und dies hilft dann, solche Sachen herauszuheben. Das macht dann die Kraft im Bild aus. Komischerweise. Mit immer weniger Mitteln.
GM: Haben Sie eine Lieblingsstadt?
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Uwe Herbst
„Nacht über der Salute“
100 x 120 cm
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Uwe Herbst
„La Salute früh Morgens“
100 x 120 cm
Herbst: Nein. Natürlich könnte ich jetzt sagen Venedig, aber das ist Unsinn. Ich bin ja kaum gereist, Reisen interessieren mich eigentlich nur im Zusammenhang mit meinen Bildern. Das heißt, ich reise irgendwo hin, weil ich da ein Ziel habe. Das ist nicht unbedingt Motivsuche,- aber mir ist aufgefallen, dass um so näher man an einem Ort war und mit den Leuten dort kommuniziert hat, desto gründlicher wird die Kenntnis, um so feiner wird die Wahrnehmung der Dinge und es bringt mir mehr als durch zig Orte einfach durchzusausen, denn davon kriege ich dann meistens nicht viel mit.
Die Bilder so zu malen, wie ich sie male, das geht nicht von heute auf morgen. Da sind zig Bilder im Voraus gewesen. Es muss sich aufbauen. Das kriegt man nicht auf einen Schlag hin – also ich nicht. Da muss ich an einem Ort schon zig mal da gewesen sein und mir das noch mal angekuckt haben mit anderer Belichtung und so weiter. Also es bringt mir mehr, gründliche eine Region oder eine Stadt oder eine Situation zu erleben, anstatt viele Situationen.
GM:Da denke ich an Ihre Hafenstädte in Frankreich, die ich ja nicht kenne, aber bei denen der Himmel so feuer-orange wirkt. Das wollte ich erst gar nicht glauben, aber die Leute, die dort in Urlaub waren bestätigen, genau so ist es dort.
Herbst: Ja. Ich kriege manchmal Bilder zurück, wo beispielsweise der Himmel noch hell ist und die Straße bereits in Dunkelheit liegen. Dann wird mir gesagt, das ist so nicht möglich. Tatsächlich aber ist es doch so, dass wenn Sie in einer beliebigen Stadt im Sommer gegen halb zehn durch die Straßen gehen, dann sind diese schon ganz dunkel – schwarz während der Himmel noch ganz hell ist. Der schwarze Himmel ist dann erst gegen Mitternacht, ein Uhr. Achten Sie mal drauf.
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Uwe Herbst
„Abend in Cassis“
100 x 120 cm
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Uwe Herbst
„Abend in Porto Venere“
100 x 140 cm
GM: Und zuletzt – haben Sie ein Lieblingsfarbe?
Herbst: Nein. Das wäre wie die Frage: „was liegt ihnen besser, Licht oder Schatten?“ Das wäre auch Blödsinn denn es gibt kein Licht ohne Schatten und kein Blau ohne Rot, deswegen gibt es nichts, was mir lieber ist als etwas anderes. Ich habe auch kein Lieblingsbild. Alles existiert immer nur im Kontrast. Es gibt auch nichts Schlechtes und nichts Böses.
GM: Wir bedanken uns für das Gespräch.